So funktioniert Innovation im Handel
Was ist das „Next Big Thing“ im Einzelhandel? Und warum scheitern Innovationen? Rouven Steibli, Director Collaboration und Initiator der neu eröffneten Retail Innovation Plattform in Berlin, steht...
Rouven, wie können Händler Innovationen schaffen?
Rouven Steibli: Innovation startet mit einer guten Idee. Davon gibt es oft mehr als genug – selten scheitert Innovation am Ideenmangel. Die wirklich wichtigen Fragen lauten: Wie wird aus der Idee ein Produkt? Wie kommt das Produkt auf den Markt? Um Innovationen zu schaffen, müssen Händler zunächst eine Idee formulieren, entwickeln und testen. Doch sie kämpfen oft mit knappen Ressourcen – sowie mit der kurzfristigen Verfügbarkeit von Knowhow, Technologie-Partnern und Infrastruktur.
Und wie können Händler die Innovationshürden überwinden?
Rouven Steibli: Sie suchen sich im besten Fall Partner, die ihnen in den vier Bereichen weiterhelfen: Experten für Produktentwicklung und Design, erfahrene Methodiker, Partner und die passende Infrastruktur. Alles zusammen bieten wir ab Juli in Berlin – mit der Visa Retail Innovation Plattform. Wir bringen Acquirer und Händler zusammen mit unseren Partnern, Start-ups und dem nötigen Payment-Knowhow.
Was brauchen Händler, um erfolgreich eine Innovation zu entwickeln? Nicht alle haben die Ressourcen für eigene Entwicklungs-Teams.
Rouven Steibli: Das stimmt. Deswegen verknüpfen wir Händler auf Wunsch mit einem Netzwerk aus exzellenten Entwicklern, Designern und Research-Spezialisten. Hinzu kommt unsere Zusammenarbeit mit Plug and Play´s Retailtech Hub in München oder auch Pioneers aus Österreich. Beide haben einen exzellenten Einblick in den Startup- und Venture-Markt.
Das Ganze läuft so: Basierend auf der Idee oder der Fragestellung, mit der ein Händler oder ein Acquirer an uns herantritt, suchen wir etwa über das Netzwerk von Plug and Play den Markt ab, um zu sehen, ob es bereits passende Angebote in Form von Startup-Technologien gibt. Wenn ein Startup etwa bereits eine ähnliche Idee umsetzt, wie sie unser Kunde anpeilt, dann testen wir, ob sich eine Kooperation mit diesem Startup lohnt. Alternativ können wir natürlich auch in-house eine eigene Lösung entwickeln.
Händler müssen dann „nur noch“ einen Product Owner stellen, der die Schnittstelle zwischen der eigenen Organisation und dem Projektteam bildet und quasi den Hut auf hat. Er muss das Projekt nicht managen, behält nur die Aufsicht.
Von der Idee zum Produkt Aus der Idee wird zunächst ein Proof-of-Concept – eine Art erster Test, ob das Konzept überhaupt funktioniert. Dann entwickeln wir in der Retail Innovation Plattform ein sogenanntes „Minimalprodukt“ oder Minimal Viable Product (MVP). Das ist eine Art Erlkönig für beispielsweise die Customer Journey in einem neuen Store-Konzept. Dieses MVP lässt sich dann ausgiebig testen. Wenn es die Tests besteht, kann der Händler entscheiden, ob er das Produkt auf den Markt bringen möchte – im letzten Schritt geht es dann daran, das Ganze zu skalieren. Aus einem ersten Store wird dann etwa eine deutschlandweite Umsetzung. |
Wie lange dauert es von der Idee zum ersten Produkt?
Rouven Steibli: In 100 Tagen haben wir ein Minimalprodukt (MVP) entwickelt. Unternehmen können dann entscheiden, ob sie es weiterentwickeln und einen kommerziellen Rollout daraus machen. Das sind knapp drei Monate – bei uns geht es wirklich sehr schnell.
Ihr habt in Berlin kürzlich ein Event veranstaltet zum Thema Self-Checkout und Personalisierung im Handel. Ist der Self-Checkout das „Next Big Thing“ im Handel?
Rouven Steibli: Beide Themen sind für viele Händler in Deutschland, aber auch in Europa und weltweit zur Zeit extrem relevant. Mit Self-Checkout sparen Händler natürlich Personalkosten – etwa durch kassenlose Store-Formate. Hier ist noch viel Potenzial, etwa bei völlig unbemannten Läden, wie man sie in Zukunft in Bahnhöfen oder Flughäfen finden wird. Amazon Go hat ja bereits gezeigt, wie es auch ohne Kasse gehen kann.
Aber Self-Checkout geht noch weiter. Wenn Kunden mobil bezahlen, können Beratung, Bezahlung und Versand getrennt werden. Verkäufer sind dann primär Berater – die Ware wird getrennt vom Beratungsgespräch bezahlt und direkt nach Hause verschickt.
Welche Rolle spielt die Bezahlung beim Self-Checkout?
Rouven Steibli: Die Bezahlung ist essenziell für die Customer Experience beim Self-Checkout. Man denke sich nur einmal, Amazon Go hätte das Thema Payment ignoriert – dann hätten Kunden am Ende anstehen müssen, um mit Karte zu bezahlen. Das hätte das ganze Konzept gesprengt. Damit Innovationen gelingen, muss die Entwicklung neuer Produkte und die Digitalisierung im Handel von Anfang an auch die Bezahlung berücksichtigen.
Letzte Frage: Wie geht es weiter mit der Retail Innovation Plattform?
Rouven Steibli: Wir haben schon die ersten konkreten Themen, die wir gemeinsam mit unseren Kunden angehen werden. Wir werden weiterhin auch Events veranstalten, ähnlich der Veranstaltung rund um Self-Checkout jetzt im Juni. Jedes Event behandelt dann ein anderes Fokusthema – dort kommt dann die Internationale Start-up-Szene zusammen mit Händlern und Themen-Experten.
Außerdem wollen wir uns im Rahmen von Webinaren beziehungsweise Podcasts mit relevanten Themen beschäftigen, um Händlern und Acquirern neue Ideen und Ansätze zu liefern. Eines der ersten Themen wird sicherlich Open Banking und PSD2 sein. Darauf freue ich mich schon sehr.
Vielen Dank für das Gespräch, Rouven.